Ich gehe die Straße entlang und denke „Vermutlich trägt die Frau vor mir ein Baby im Tragetuch“. Aber ich sehe weder das Kind, noch das Tuch, nur Ihren in-sich-unbeweglichen Rücken. Die ansonsten junge, bewegliche Frau hält ihren Oberkörper fest und unbeweglich über dem Becken während des Gehens. So dass das Kind an einen scheinbar ruhigen Ort gebunden ist.
Eine afrikanische Frau würde das so nicht machen. Sie bewegt sich rhythmisch, eher tänzelnd mit ihrem Kind. Sie überträgt ihre Bewegungen auf ihr Kind. Sie lehrt das Kind schon durch ihren Körper die rhythmischen, alternierenden, diagonalen, rotierenden, tänzelnden Bewegungen, die einen natürlichen Laufstil ausmachen, lange bevor das Kind laufen kann. UND das hat sie auch schon vor der Geburt ihres Kindes getan. Im Bauch einer Afrikanerin wird ein Kind anders bewegt als im Bauch einer Europäerin.
Aber an die künftige Laufbewegung des Kindes denken vermutlich, weder die europäischen, noch die afrikanischen Mütter. Und ihre eigene Laufbewegung, nehme ich an, bemerken sie auch nicht bewusst. Dies scheint mir einer der Vorteile afrikanischer Läufer zu sein. Sie lernen das geschmeidige Laufen, bevor sie den Bauch ihrer Mutter verlassen haben und selbst laufen.
Warum bewegen sich Europäer mit ihren Kindern am Körper, als wären diese zerbrechlich?
Nun, noch vor wenigen Jahren war es üblich, Kinder wegzulegen – in den Kinderwagen, das Kinderbett, möglichst weit weg von Erwachsenen. Es ist als ob die Bewegungserfahrung der Eltern mit und für ihre Kinder über Generationen unterbrochen ist und nun neu gelernt werden muss.
Als ich in den 1980er Jahren mein erstes Kind am Körper trug, war das in unserem Land noch außergewöhnlich und musste gerechtfertigt und verteidigt werden. Heute ist das schon fast wieder Normalität.
Aber das sind nicht die einzigen kulturellen Einflüsse. Da gibt es viele.
Ich beobachte, dass die meisten Mitteleuropäer ihr eigenes Becken, den Brustkorb und die Wirbelsäule zu wenig differenziert bewegen. Und dass ihnen das auch nicht bewusst ist. Dann tun sie es natürlich beim Tragen eines Kindes auch nicht, weil sie es nicht gewöhnt sind, es in ihren im Gehirn nicht als Bewegungsmuster gespeichert ist.
Die o.g. Mutter, drehte sich ihrem Partner zu und ich sah das Kind in ihrer Jacke und mich in meiner Vermutung bestätigt.
Weder für das Baby noch für die tragenden Menschen (Vater, Mutter oder …) ist diese Steifheit in der Alltagsbewegung gut. Wenn Eltern lernen sich geschmeidig zu bewegen, mit dem ganzen Körper in einer sich permanent anpassenden Wohlspannung, geht es ihnen im Leben besser und sie können dieses leichte Bewegen und Lebensgefühl auf ihr Kind übertragen. Möglich ist dieser Lern- und Entwicklungsprozess mit der Feldenkrais-Methode: D. h. die eigen Bewegungsgewohnheiten insbesondere mit dem Körpersinn der Tiefensensibilität zu erkennen zu erweitern – ganz spielerisch. Und das eigene Kind kann dabei zum Lehrmeister werden – ohne das ihm das bewusst ist – wenn Sie seine Bewegungen nur aufmerksam beobachten. Das ist auch besonders für Großväter und Großmütter (Omas und Opas) eine gute Idee.